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Freilernen und Bildungssystem in Italien - Überblick und Erfahrungen

Wie Freilernen und das Bildungssystem in Italien praktisch funktionieren

Inhaltsverzeichnis

Das Bildungssystem in Italien erlaubt im Gegensatz zu Deutschland eine Bildung für Ihre Kinder außerhalb der Schule. Wie das Bildungssystem in Italien funktioniert und welche Unterschiede es zum deutschen gibt, welche Lehrpläne existieren und viele weitere Informationen erfahren Sie in diesem Artikel. Darüber hinaus lesen Sie die persönliche Erfahrung einer Freilernermutter und ihren vier Kindern.

Dies ist ein Artikel von Daniela Werner. Sie lebt mit ihren Kindern seit mehr als 14 Jahren in der südlichen Toskana und praktiziert dort das Lernen ohne Schule. Weitere Informationen erhalten Sie bspw. über Ihre Telegramgruppe Homeschooling Maremmani.

Das Bildungssystem in Italien wird im Allgemeinen durch nationale Gesetze geregelt und ist daher weitgehend einheitlich. Innerhalb der Exekutive ist das Ministerium für Unterricht, Universitäten und Forschung für das Schul- und Hochschulwesen zuständig. Für die Berufsbildung gibt es einen einheitlichen strukturellen Standard, das Nähere regeln auch Regionen und Provinzen. Autonome Gebietskörperschaften wie Südtirol haben im Bildungsbereich erweiterte Zuständigkeiten und Aufgaben. In Südtirol besteht ein mehrsprachiges Bildungssystem.

Das italienische Schulsystem untergliedert sich horizontal in mehrere Stufen. Der Vorschulbesuch ist nicht verpflichtend, jedoch üblich. Die Primarstufe und die Sekundarstufe I umfassen zusammen acht Jahrgangsstufen. Jugendliche wechseln in der Regel im Alter von 14 Jahren in die weiterführenden Schultypen der Sekundarstufe II. Hochschulen verschiedener Art und höhere Berufsbildungseinrichtungen bilden den tertiären Bildungsbereich. Von wenigen Ausnahmen abgesehen gehört die Erwachsenen- und Weiterbildung nicht zum staatlichen Bildungssystem im engeren Sinn.

Grundsätzlich besteht in Italien für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 16 Jahren eine zehnjährige Bildungspflicht. Wer danach die Schulausbildung nicht fortsetzen will, muss bis zum vollendeten 18. Lebensjahr eine Berufsausbildung absolvieren. Der Schulbesuch ist bis zum Abschluss der Sekundarstufe I gebührenfrei, für Schulbücher und Unterrichtsmaterialien müssen die Familien aufkommen. Vor allem im Vorschulbereich gibt es private Schulen, viele in Trägerschaft der katholischen Kirche. An den öffentlichen Schulen wird konfessioneller Religionsunterricht gegeben.

Bildungssystem in Italien im Überblick

AlterSchulstufeDauerItalienische BezeichnungDeutsche Bezeichnung
3–6Vorschulstufe3 JahreScuola dell’InfanziaKindergarten
6–11Primarstufe5 JahreScuola PrimariaGrundschule
11–14Sekundarstufe I3 JahreScuola Secondaria di Primo GradoSekundarschule
14–19Sekundarstufe II3 bis 5 JahreLiceo
Istituto Tecnico
Istituto Professionale
Gymnasium
Fachoberschule
Berufsfachschule
ab 19Tertiärbereich1 bis 8 JahreUniversità
Istruzione e Formazione Tecnica Superiore
Hochschulen
Berufshochschulen
Bildungssystem in Italien für Freilerner ohne Schule für freie Kinder (Bild zeigt blondes Mädchen in einem Kunstatelier vor vielen bunten Bildern.)

Wie Homeschooling und Freilernen in Italien geregelt ist

Die italienische Verfassung sieht keine allgemeine Schulpflicht vor, so dass Kinder zuhause unterrichtet werden können und dürfen.

Um Kinder zu Hause unterrichten zu können, muss das örtliche Schulamt und der Bürgermeister der Hauptwohnsitz Gemeinde jedes Jahr für das folgende Schuljahr aufs Neue über dieses Vorhaben informiert werden. Die Erklärung sollte möglichst zeitgleich mit den allgemeinen Einschreibeterminen erfolgen, also Ende Januar. Es empfiehlt sich, sie entweder persönlich abzugeben (und die Abgabe des Briefes protokollieren zu lassen) oder ein Einschreiben mit Rückschein zu schicken bzw. eine PEC (zertifizierte E-Mail) zu senden.
Dazu sollte beim ersten Brief eine sogenannte Autocertificazione, eine persönliche Erklärung, beigelegt werden in der versichert wird, dass die Eltern über die entsprechenden „technischen und ökonomischen Möglichkeiten“ verfügen, die Kinder selber zu unterrichten.

Die Schulämter können bei auftauchenden Zweifeln Kontrollen durchführen, wenn sie vermuten, dass die Eltern ihren Pflichten nicht nachkommen, die Kinder angemessen auszubilden. Deshalb wird allgemein geraten, in „gutem Kontakt“ zum örtlichen Schulamt zu stehen und sich nicht komplett von der Kommunikation mit den dortigen Verantwortlichen abzukapseln.

Praktisch in Italien ist, dass die Kinder in der Schule registriert sein können, und so als Prüflinge für die Externistenprüfung teilnehmen. Nicht nur um den eigenen Erfolg messen zu können, sondern letztlich auch einen regulären Schulabschluss für die Kinder recht unkompliziert zu erreichen.

Trotzdem wird auch die „andere“ Form des Homeschooling praktiziert: das Unschooling, in Deutschland mit dem Waldorf-Ansatz zu vergleichen, wo darauf verzichtet wird, das Kind einem öffentlichen Lehrplan zu unterwerfen.

Weiterführende Quellen und nützliche Links

https://www.edupar.it/  
https://www.laifitalia.it/
https://istruzionefamiliare.wordpress.com/
https://www.controscuola.it/

Facebook: Homeschooling – progetti – spunti – gite, 6.989 Mitglieder

Ist Durchfallen bei den Prüfungen möglich?

Vor einiger Zeit gab es eine interessante Neuinterpretation des Begriffes Bocciatura, der auf Deutsch eigentlich immer mit “Durchfallen” übersetzt wird. Er wird nun als Förderunfähigkeit verstanden.
Der Mangel an Förderfähigkeit ist aber nur in Ausnahmefällen gegeben, und deshalb kann man in Italien im ersten Bildungszyklus (Grund- und Mittelschulen) gar nicht mehr durchfallen.
Anmerkung: Durch eine “schlechte Leistung” des (externen) Prüflings kann sein Recht auf Bildung zu Hause nicht in Frage gestellt werden. Gemäß der Stellungnahme vom MIUR n. 253/2013, unterliegt die elterliche Entscheidung zum Homeschooling nämlich keinerlei Genehmigungspflicht seitens der Behörden.

Welche Lehrpläne es im italienischen Bildungssystem gibt

Hier ist im Vorfeld zu unterscheiden zwischen der Prüfungsvorbereitung mit dem Ziel, einen Eignungstest für das nächste Schuljahr an einer Regelschule machen zu wollen, und dem Ziel, nach dem obligatorischen Test wieder ganz normal mit dem Unterricht zu Hause weiter zu machen.

Im ersten Fall spricht man mit der Schulleitung, und hält sich an deren Vorgaben.

Im zweiten Fall kommt es einfach darauf an, welchem Homeschooling-Konzept man folgt. Die Interpretation des Gesetzes lässt zum Glück (v.a. für Unschooler) einiges an Spielraum. Denn eigentlich ist die für die Prüfung zuständige Schule nicht berechtigt, den abzufragenden Stoff vorzugeben. Vielmehr ist es der Prüfling, der seine Themen präsentiert. Diese müssen den ministerialen Vorgaben entsprechen, aber eben nicht dem Lehrplan einer bestimmten Schule. Viele Eltern haben sich vernetzt, um diese recht vage gehaltenen Programme vernünftig interpretieren zu können und die eigenen Vorstellungen weitestgehend mit ihnen in Einklang zu bringen.

Der Lehrplan, den der Schüler für seine Prüfung erstellt hat, wird der Schule, die die externe Prüfung vornehmen wird, bis einschließlich 30. April vorgelegt. Die Prüfungskommission kann dann Vorschläge und Ergänzungen machen. Solange der Entwurf des Prüflings den ministerialen Richtlinien entspricht, kann sich die Schule aber nicht weigern, die Prüfung auf dessen Basis abzunehmen.

Wie läuft die externe Prüfung in Italien ab?

Der jährliche Test für Grundschüler sieht zwei schriftliche Prüfungen vor (eine in Italienisch, eine in Mathe) und eine Fächerübergreifende mündliche Prüfung, die mitunter sehr informell gehalten ist.
In der weiterführenden Schule kommt dann eine Fremdsprache hinzu, je nach Institut, das die Prüfung abnimmt, meist Englisch.
In jedem Fall muss die Kommission den Prüfling im Voraus darüber informieren, welche Art von Prüfung sie durchführen möchte also Diktat, oder Aufsatz im Italienischen, etc.
Die mündliche Prüfung ist oft auch der Ort, an dem der Schüler die Arbeiten, die er im vergangenen Jahr gemacht hat, präsentieren kann. Also seine Arbeitshefte, Lapbooks, Handarbeiten, selbst gedrehte Videos, ein Referat zu einem bestimmten Thema, etc.

Freilernen und Bildungssystem in Italien - persönlcihe Erfahrung (Bild zwei Jungen, die zu Hause lernen.)

Meine persönlichen Erfahrung mit dem Freilernen in Italien

Nach über 14 Jahren südliche Toskana und vier Kindern (teilweise Homeschooling und teilweise Freilerner) musste ich feststellen dass es kein Schema F gibt und prinzipiell jede Region bzw. Gemeinde ihr eigenes Süppchen kocht. Und meistens wird es nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird. 😊

Die jährliche Externistenprüfung machen wir mit einer freilernerfreundlichen privaten Schule, welche aus einem ca. 5-10 minütiges Gespräch besteht, wo das Kind seine Mappe vorzeigen darf bzw. ein Projekt präsentieren darf in Papierform oder auch als Power-Point-Präsentation. Diese Prüfung ist privat zu bezahlen und kostet zwischen € 95,- und € 120,- pro Prüfling plus ein paar Nebenkosten. Dafür erspart man sich den Druck einer staatlichen Schule. Die Plätze an dieser Schule zur Prüfungsabnahme sind limitiert und das Zeitfenster relativ kurz für die Anmeldung.

Suchen Sie tolle Orte für Freilerner in Italien und Gemeinschaften für freie Menschen, lesen Sie gerne unseren anderen Artikel dazu.

Bildquellen:
Foto von Johnny McClung auf Unsplash
Foto von Bárbara Fróes auf Unsplash
Foto von Jessica Lewis 🦋 thepaintedsquare auf Unsplash

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